Bücher
Raphael hat sein Gedächtnis verloren. Mit ihm in dem kleinen Ruderboot liegt eine Pistole, kann er vielleicht damit etwas anfangen? Und was macht überhaupt das Boot in diesem winzigen See mitten im Wald? Er hat Hunger und Panikattacken, das ist im Moment sein größtes Problem. Mit Mühe und Not überlebt er einige Tage im Wald, da trifft er auf eine junge Frau. Die beiden merken, dass sie sich gegenseitig helfen können und kehren schließlich gemeinsam in die Stadt zurück. Doch damit wird alles noch viel schlimmer. Im heißesten Sommer, den München je gesehen hat, kommt Raphael einer Verschwörung auf die Spur und bringt sich und Alicia unweigerlich in Lebensgefahr.
Mit dieser Idee im Kopf begann ich im Jahr 2017 meinen ersten Roman zu schreiben. Kurzgeschichten und Gedichte hatte ich bereits mehrere geschrieben und es reizte mich, einen Plot mit mehreren Zeit- und Erzählebenen zu entwerfen. Man besitzt mehr Freiheiten bei der Themenwahl und kann den Charakteren eine individuelle Vorgeschichte schenken. Die Handlung wird nachvollziehbarer und die Konflikte gewinnen an Tiefe. Dabei wachsen einem die Protagonisten mit der Zeit ans Herz. Man beginnt, die Geschichte aus den Augen der verschiedenen Figuren zu betrachten und sich ihre Emotionen anzueignen. Vielleicht gibt es ja Schriftsteller, die die Schicksale ihrer Schöpfungen völlig kalt lassen. Mich nimmt es aber jedes Mal mit, wenn zwei Figuren streiten oder ich jemanden ins Nirvana entlassen muss. Ich fühle als Autor eine große Verantwortung, da die handelnden Figuren beim Lesen gewissermaßen lebendig werden und ich weiterhin die totale Kontrolle über sie behalte. Da überlegt man es sich zweimal, ob bestimmte Szenen notwendig sind.
Literatur begleitet den Menschen seit der Antike und hat seit Erfindung des Buchdrucks kontinuierlich an Popularität hinzugewonnen. Bücher stehen für Bildung und Vielfalt, dabei sind heute die meisten verkauften Exemplare der Unterhaltungsliteratur zuzuordnen. Auch in meinem Bücherregal mischen sich Krimis unter Fantasy und Science-Fiction-Romane. Doch auch diese Werke können weiterbilden. Jedes Buch ist Ausdruck einer langen Arbeit mit verschiedensten kreativen Ansätzen und mehr oder weniger viel Recherche. Dazu steckt unglaublich viel Lebenserfahrung in Büchern, denn so fiktiv die Handlung auch ist, bildet der Autor unweigerlich seine eigene Weltanschauung darauf ab. Durch das Lektorat wird diese Darstellung zu einem großen Teil objektiviert, doch ist einem guten Buch stets eine natürliche Ehrlichkeit anzumerken. Es ist wie ein Gespräch zwischen Autor und Leser. Der Autor fragt, der Leser antwortet. Diese persönliche Ebene ist es meiner Meinung auch, die einen Roman von einem Film unterscheidet. Es mag beides zu Unterhaltungszwecken produziert worden sein, doch ein gutes Buch hat nichts Künstliches an sich, keine Maske. Die Erzählung ist unmittelbar. Deshalb muss in meinem Verständnis immer mindestens eine Figur existieren, aus dessen Sicht die Handlung beschrieben wird. Bestenfalls eine konkrete Erzählsituation, wenn der Plot in der Vergangenheit liegt. Der Erzähler muss am Geschehen kaum beteiligt sein, kann aber auch eine Hauptfigur verkörpern. Im besten Fall rutscht der Leser sowieso mit der Zeit in die Rolle seines bevorzugten Protagonisten. Und trotzdem bleibt der Erzähler immer wichtig, da er dem Text Authentizität und Struktur verleiht.
Bei einem Roman mit über 50.000 Wörtern Länge liegt die größte Herausforderung darin, die Geschichte am richtigen Punkt zum Ende zu führen. Die meisten Menschen, die beginnen ein Buch zu schreiben, unterschätzen die Anstrengung und geben folglich irgendwann unter der unvermuteten Last auf. Andere verlieren sich in ihrer eigenen Geschichte und schaffen es nicht, die Spannungskurve wieder zu senken. Dabei ist ein Buch wie ein Gemälde. Stil und Umrisse müssen feststehen, bevor die ersten Ölfarben aufgetragen werden. Steht erst der Unterbau, kann der Text an jeder beliebigen Stelle fortgesetzt werden. Häufig werden gerade die Anfangsszenen zum Schluss noch einmal überarbeitet, da sich jede Geschichte beim Schreiben weiterentwickelt und der Anfang darüber entscheidet, ob der Leser die komplexen Gedankengänge des Autos nachvollziehen kann.
Ich habe mich zu Beginn meines ersten Romans kaum informiert und einfach drauf los geschrieben. Während dem folgenden Jahr hat sich mein Sprachgefühl stark entwickelt und so hatten im ersten Entwurf die letzten Szenen rein sprachlich kaum etwas noch mit meinen ersten wackligen Versuchen zu tun. Es dauerte mehrere Monate, das Gesamtwerk auf ein einheitliches sprachliches Niveau zu bringen. Und schon mit dem zweiten Roman machte mein Sprachgefühl einen weiteren Satz nach vorne. Es ist ein seltsames Gefühl, heute einen Blick in RAPPI zu werfen. Als würde ich ein Tagebuch aus meiner Kindheit lesen, dabei liegt die Zeit keine vier Jahre zurück. Irgendwann werde ich vielleicht das ganze Buch nochmal überarbeiten und die Handlungsführung an meine jetzigen Fähigkeiten anpassen. Doch das Original von 2017 wird immer einen besonderen Platz in meiner Autorenseele haben.
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