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Gesichter


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Jonathan Püttmann
Geschrieben: 21.01.2020
Hochgeladen: 13.02.2020
Länge: 980 Wörter
Genre: Gesellschaft

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Gesichter


Gesichter im Wald

Zunächst eine vermeintlich harmlose Situation: Eine Person wird von seinen Mitmenschen ausgegrenzt, weil sie nicht dazupasst. Der Spott schlägt in Gewalt um, doch wird Gewalt stets nur dort registriert, wo sie die Allgemeinheit trifft. In der Gruppe hält sich jeder stets für unangreifbar. Anders ist es in der Natur, wo jedes Individuum gleichermaßen Verantwortung trägt. So soll sich niemand in seiner Scheinheiligkeit sicher fühlen. Denn am Ende sitzt die Natur stets am längeren Hebel.

Wie immer steht im Mittelpunkt ein Streit. Selten wird gesagt, wer streitet und warum. Die Reibfläche ist sehr viel subtiler. Im günstigsten Fall lässt sie sich an den Reaktionen der aufeinander treffenden Charaktere lokalisieren. Wenn die Fronten unter gleißenden Funkenregen verschwimmen, ist es jedoch zu spät. Ob Mensch gegen Mensch, Fuchs gegen Hase, Mensch gegen die Natur oder Schimmelpilz gegen alle. Zu gern bleiben die Akteure im Krieg anonym, drum ist es Zeit, ihnen ein Gesicht zu geben. Eine Lyrik in vier Sätzen nach dem zweiten Klavierkonzert von Franz Liszt - Concerto symphonique.

Adagio Sostenuto Assai, Allegro Agitato Assai

Häufiger als man denkt
ist die eigene Sicht der Dinge anders,
als wenn man andern Achtung schenkt.
Die Zeit ist eine Linie, eine gerade Schnur,
wie ein Blinder fahren wir mit dem Finger,
ängstlich, wie gewohnt, die Fäden ab, nur
landen wir damit in unserm eigenen Zwinger.

Heile Welt. Menschen im Einklang.
Illusion. Vermeintliches Glück im Zwang.
Kaum etwas ist schöner
als einem Menschen in die Augen zu sehen.
Die Herzlichkeit, Lebendigkeit …
Gleichzeitig kann so viel Schmerz
in so einem Gesicht stehen.
Empfindlich ist das Menschenherz.
Aus diesem Grund sollte mensch genau hinsehen.

Ist einer pummlig, schüchtern oder klug,
ist das den andern nie genug.
Fremd gekommn, fremd soll er bleiben
im schönen armen Heimatland,
und sollte er gar Unfug treiben,
ist er jedermann bekannt.

Fremd ist nicht das Aussehen, Verhalten,
fremd ist das Monster, für den ihn alle halten.
Anders heißt in ihrn Gedanken
nicht perfekt, nicht umgänglich,
ein Netz, um das Gerüchte ranken,
heißt allgemein verfänglich.

Ein Dunkeln zieht unaufhaltsam näher,
im Zentrum des Sturms glüht das rote Auge.
Ein Zyklop in der Zyklone, soweit der Glaube.
Saugt erst schwarze Magie die Gewissen leer,
ist der Einzelne der Verantwortung entzogen.
Und der Teufel vor lachen schief gebogen.

Keiner ist für sich die Kraft,
die stets das Gute will und stets das Böse schafft.
Schuld ist in dem Zusammenhang
im Grunde wie ein schwarzes Loch,
Wellen aus verführerischem Klang
umschmeicheln gar ihr Opfer noch.

Es fängt wie immer an ganz harmlos,
ein Witz, ein Tritt, Geläster schamlos.
Aus Sicht des außen Stehenden,
zwei Dutzend breiter hoher Rücken,
vom Standpunkt eines Sehenden,
ein eisernd Gitter ohne Lücken.

Es begegnen sich im Kampf
ein Zwerg und ein Krieger.
Der Krieger, umhüllt von weißem Dampf
nennt sich von vornherein den Sieger.
Sein Gegner muss kämpfen um zu verlieren,
kämpft er nicht, erstickt ihn quälend die Masse
und lässt ihn in einer einsamen Gasse
allein und ohne Liebe erfrieren.

Und schreit derjenige dann auf,
und haut der Erste lachend drauf,
dann gibts plötzlich Gezeter groß.
Gesprochen wird das Wort vom Richter,
doch blickt der Kläger hoffnungslos
in tausend schuldlose Gesichter.



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